Gutsverwaltung Thüngen
heute
Modernste Technik, hochqualifizierte Mitarbeiter, konsequente Fortbildung und Mut zum Risiko sind heute Vorraussetzungen für das Überleben eines landwirtschaftlichen Betriebes. In Thüngen wird heute nach dem „Tausendfüssler-Prinzip“ geplant und gearbeitet:
Vielgestaltete Fruchtfolge (mehr als 8 Fruchtarten) je nach Bodenzusammensetzung (die Bodenpunktzahlen schwanken zwischen 30 und 80), wobei immer mindestens eine neue Sorte oder Fruchtfolge auf kleiner Fläche ausprobiert wird. Damit ist man den Risiken des Marktes und des Wetters weniger ausgeliefert und den Anforderungen der Natur besser gewachsen. Bei der heute völlig unberechenbaren politischen und wirtschaftlichen Zukunft für die Landwirtschaft muss ein reiner Ackerbaubetrieb dem hohen Risiko durch Vielschichtigkeit vorbauen und begegnen. Entscheidende Faktoren sind dabei immer das Kapital, der Boden und die Qualifikation der Mitarbeiter.
Angebaut werden Zuckerrüben, Raps, Weizen, Dinkel, Durum, Emmer, Erbsen, Sonnenblumen, Braugerste mit unserem Braugerstenversuchsfeldern und Zwischenfrucht Senf. Vielfältige Fruchtfolge mit vielen Blühflächen und zusätzlich Vertragsnaturschutz sind Programm. Außerdem nimmt die Gutsverwaltung Thüngen seit 2003 am Pilotprojekt “Trinkwasserschutz im Werntal” teil und setzt auf alternative Energieerzeugung auf dem Grenzertragsstandort mit “Bürgersolarpark” und “Obstbaum-Museum” mit Bienenweide.
Spendenaktion für die Altenhilfe — Sonnenblumenkerne als Vogelfutter
Spendenaktion Altenhilfe
mit Sonnenblumenkernen für Vogelfutter
Neben der traditionellen Braugerste wurden in diesem Jahr auf den Feldern der Domäne Thüngen auch Sonnenblumen angebaut. Für die Spendenaktion Altenhilfe, haben der Juniorchef Konrad Freiherr von Thüngen, Gutsverwalter Stefan Höfling und landwirtschaftliche Fachkraft Michael Feser Tüten zu je drei Kilogramm mit Sonnenblumenkernen abgefüllt, die sie jetzt als Vogelfutter verkaufen. “Das regionale Naturprodukt stammt ausschließlich von unseren eigenen Feldern und ist ein wertvoller Energielieferant für alle körnerfressenden Vögel”, sagt Konrad v. Thüngen. Der Erlös für der Spendenaktion geht an die Stiftung Altenhilfe des Diakonischen Werks. Die Sonnenblumenkern-Tüten sind immer noch im Torhaus der Gutsverwaltung per Selbstbedienung erhältlich.
Dinkelanbau seit zwei Jahrzehnten
eine unserer wichtigsten Kulturen
Wir bauen pro Jahr ca. 80 ha Dinkel an. Dinkel ist eine unserer wichtigsten Kulturen für das bayerische Pilotprojekt “Trinkwasserschutz im Werntal” (seit 2003).
Die Kultur passt ideal auf unseren Muschelkalk-Standort. Unser ehemaliger Verwalter Alban Höfling erläutert: “Die Fallzahl ist beim Dinkel das A und O. Wenn es in den reifen Dinkel reinregnet, fallen die Werte in den Keller.” Der Abnehmer die Schwäbische Landprodukte GmbH (SLP) fordert einen Wert von mindestens 250.
Der ehemalige Gutsverwalter Alban Höfling (links) und Hanskarl Freiherr von Thüngen freuen sich über einen gut entwickelten und gesunden Dinkelbestand.
Die Domäne im Wandel der Zeit
bis 1930
Von 1860 bis 1870 wurden von den Brüdern Wolfgang und Wilhelm von Thüngen die an verschiedenen Stellen in Thüngen verstreuten Ökonomiehöfe in einem großen Gutshof vereinigt, der bis heute bestehenden Gutsverwaltung Thüngen. So war der Grund zu einer einheitlich-planmäßigen Bewirtschaftung des Gutes gelegt und wurde noch weiter durch den Beginn einer Flurbereinigung gefördert.
In der Domäne wurde intensiv Viehhaltung betrieben, vor allem auch im Zusammenhang mit der Brennerei und der Brauerei, die billiges, gutes Futter lieferten (Malzkeime, Treber, Schlempe).
Die wichtigsten Viehhaltungen seien kurz erwähnt:
Schäferei: Seit 1840 bestand die Schäferei aus feinen Wollschafen.
1912 hatte man 200 Schafe auf der Weide. Die höchsten Preise, Bundes- und Landessiege, bei der Zucht der Böcke wurden in den Jahren vor 1918 und den Jahren nach 1945 erzielt.
Rindviehhaltung: In den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jhs. bestand das Rindvieh hauptsächlich aus Ochsen. „ Im Jahre 1863 wurde der Viehstall gebaut der heute noch steht. Man wechselte langsam von Mast zur Zucht. Ab 1879 ging man zum Milchverkauf von 850 Liter pro Tag für 13 Pfennig franko Würzburg über. 1912 waren es 120 Kühe.
Pferde: 1860 hatte man 14 Pferde, 1892 schon 37 (man hatte die Ochsen als Zugtiere abgeschafft).
Schweine wurden ebenfalls als Masttiere gehalten, allerdings nur für den eigenen Bedarf, 1912 waren es 60 Stück.
Im Feld- und Ackerbau wurde 1892 Roggen, Sommer- und Winterweizen, Gerste, Hafer, Grünwicken, Kartoffeln, Runkeln, Mais, Luzerne, Esparsette und Kleegras angebaut. Die damals übliche „Brache“ wurde im Laufe der Jahre immer weniger, schließlich ganz abgeschafft. Im Jahr 1897 wurde die neue Hofscheune gebaut, 1913 zwei Feldscheunen. Die Industrie und die Chemie hielten ihren Einzug in die Landwirtschaft (um 1912 gibt es die ersten Tiefpflüge – 35 cm tief! – Drill- und Mähmaschinen). Die eigentliche Umbruch begann aber erst ab 1950.
Bis 1875 hatte man in der Burgmühle eine eigene „Schneidemühle“ unterhalten. Des weiteren wurden betrieben:
- Fischzucht in Weihern und in der Wern,
- Weinbau am Riedberg bis 1912, eine Kalkbrennerei am „Kalkofen“
- Obstanlagen: 1912 waren es: 377 Mostäpfelbäume an den Wegen, 1279 Zwetschgenbäume, 58 Birn‑, 41 Kirsch- und 32 Nußbäume,
- Gärtnerei mit Gemüse‑,Obst- und Salatanbau,
- Hopfenanbau bis Mitte der 1930er Jahre
In den 1890er Jahren und ab 1930 geht viel Besitz verloren durch den Bau von Truppenübungsplätzen in Hammelburg und in Wildflecken und den Bau der nie fertig gestellten Reichsautobahn durch die Nationalsozialisten. Thüngen selbst wird nicht betroffen, muss aber für geldlichen Ausgleich der „Enteignungen ohne Entschädigung“ sorgen. 1935 wird der neue Herdbuchviehstall gebaut, in dem später das Stahlbauunternehmen Ammersbach saß und sich inzwischen das Stahl- und Behälterbauunternehmen Danz einquartiert hat.
Letzter Schäfermeister Josef Ternes mit seiner Merino Schafherde bei der Rückkehr in den Schafhof
Burgsinner Schloss — Sitz der Gutsverwaltung Thüngen
die Jahre um 1945
Der 2. Weltkrieg und die anschließende Bodenreform, mit Verwaltung durch von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzte Treuhänder 1945 bis 1948 schaden den Betrieben, insbesondere auch in Thüngen, erheblich.
Ab Anfang der fünfziger Jahre setzt eine deutliche Wachstums- und Technisierungsphase ein. Insbesondere die Landwirtschaft profitiert hiervon. Es ist bald die Zeit des Wirtschaftswunders, und die Betriebe erblühen zusehends. Ein neuer Schweinezuchtstall und Arbeiterwohnhäuser werden gebaut. Die unrentabel wirtschaftende Mälzerei und die Darre werden 1964 stillgelegt und 70 Milchkühe Ende der sechziger Jahre abgeschafft — dafür hält man ca. 90 Bullen zur Mast.
Im Forstrevier in Thüngen wird gezielt Kiefer angepflanzt und die Durchforstung wird verstärkt, allerdings erst ab 1973 im notwendigen Umfang.
Ab Ende der siebziger Jahre setzt eine Phase der Neuordnung, der Verbesserung und zukunftsorientierten Organisation ein. 1976 ist die Flurbereinigung beendet, es wird die Schafhaltung aufgegeben, weil vor allem die Futterfläche fehlt.
1981 wird die Viehhaltung (Bullen- und Schweinemast) abgeschafft, die Umweltgesetze genehmigen keinen größeren Stallumbau auf Flüssigmist innerhalb der Ortschaft — in der Ablehnung des Bauantrags werden 90 Bullen als Massentierhaltung (!) bezeichnet. Dies hatte zur Folge, dass die Brennerei zugemacht werden musste. Damit verschwindet auch der große Misthaufen im Hof und die Strohbergung ist sinnlos geworden.
Die Gutsverwaltung wird ein reiner Ackerbaubetrieb mit Saatgutvermehrung, mit einer Rapsfruchtfolge für die schlechten Böden und einer Zuckerrübenfruchtfolge für die besseren Standorte. Der Maschinenpark wird vergrößert, und 1987 wird seit den sechziger Jahren vorhandene Silo- und Trocknungsanlage stark erweitert und als Lagerhaltung ausgebaut.
Seitdem bestimmen modernste Technik, hochqualifizierte Mitarbeiter, konsequente Fortbildung und Mut zum Risiko das Überleben des landwirtschaftlichen Betriebes. In Thüngen wird heute nach dem „Tausendfüssler-Prinzip“ geplant und gearbeitet:
Vielgestaltete Fruchtfolge (mehr als 8 Fruchtarten) je nach Bodenzusammensetzung (die Bodenpunktzahlen schwanken zwischen 30 und 80), wobei immer mindestens eine neue Sorte oder Fruchtfolge auf kleiner Fläche ausprobiert wird. Damit ist man den Risiken des Marktes und des Wetters weniger ausgeliefert und den Anforderungen der Natur besser gewachsen. Bei der heute völlig unberechenbaren politischen und wirtschaftlichen Zukunft für die Landwirtschaft muss ein reiner Ackerbaubetrieb dem hohen Risiko durch Vielschichtigkeit vorbauen und begegnen. Entscheidende Faktoren sind dabei immer das Kapital, der Boden und die Qualifikation der Mitarbeiter.
Angebaut werden Zuckerrüben, Raps, Weizen, Dinkel, Durum, Emmer, Erbsen, Sonnenblumen, Braugerste mit unserem Braugerstenversuchsfeldern und Zwischenfrucht Senf. Vielfältige Fruchtfolge mit vielen Blühflächen und zusätzlich Vertragsnaturschutz sind Programm. Außerdem nimmt die Gutsverwaltung Thüngen seit 2003 am Pilotprojekt “Trinkwasserschutz im Werntal” teil und setzt auf alternative Energieerzeugung auf dem Grenzertragsstandort mit “Bürgersolarpark” und “Obstbaum-Museum” mit Bienenweide.
auf dem Weg in die Gegenwart
Auszüge aus dem Leitartikel der DLG Mitteilungen aus dem Jahr 1986 von Hanskarl Freiherr v. Thüngen
Es ist wirklich nicht leicht, im Jahre 1986 als produzierender Landwirt Zuversicht zu haben. Ob groß, mittel oder klein – Mutloßigkeit und Resignation hat schon jeder Landwirt erfahren. Das liegt nicht nur an der Abhängigkeit von Wetter, Politik und Wirtschaft begründet, sondern es ist Ausdruck für einen inneren Konflikt, den es auszutragen und zu einer Lösung zu bringen gilt.
Der Landwirt muss sich heute flexibler, schneller und radikaler entscheiden als noch vor einigen Jahren. Der mit dem Rücken zur Wand stehende Unternehmer hat eigentlich nur eine Möglichkeit: Er muss aufhören mit Resignation, Schuldzuweisungen und Lamentieren. Er muss aktiv werden. Das ist leichter gesagt als getan.
Die Angriffe gegen die Landwirtschaft und ihre Produktionsweisen haben sich längst aus dem Bereich des allgemeinen Polemisierens in andere zusätzliche Bereiche verlagert. Sie haben ihren Eingang in die Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Vorschriften gefunden und zwingen auf diese Weise den Landwirt, nicht nur im emotionalen, sondern auch im praktischen Alltag, damit fertig zu werden.
Wie soll es nun weitergehen? Der Betriebsleiter darf sich nicht mehr in erster Linie als Nahrungsmittelerzeuger sehen, er hat nur noch eine Chance als „Allround-Unternehmer“ mit guten Ideen. Diese neue „Managerrolle“ ist schwer und fordert vor allem Flexibilität, einen spitzen Bleistift und regelmäßige Betriebskontrolle und eine gute praktische und betriebswirtschaftliche Ausbildung. Er muss seine Kostenseite voll in den Griff bekommen und die kritischen Positionen ständig beobachten. Hier gibt es für jeden Betrieb Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Mit Hilfe von guter Beratung, passend für seinen Betrieb, ständig verfolgter Fortbildung und nicht zuletzt durch eine positive Grundeinstellung und einen gewissen Berufsstolz kann sich der einzelne Landwirt wenigstens eine bessere Ausgangsposition zur Bewältigung seiner Probleme schaffen. Diese Probleme sollte er allerdings nicht nur diskutieren, sondern für sie Lösungen finden und dann aktiv verwirklichen.
Diese neue Identität, dieses neue Selbstverständnis des Landwirts in einer sich ständig verändernden Umwelt müssen erlernt werden und brauchen Zeit. Es ist ein Lernprozess, den jeder Landwirt ob größer oder kleiner selbst durchmachen muss. Nur der Betrieb wird langfristig überleben, dessen Betriebsleiter erkannt hat, dass er sich am besten auf seine eigenen Fähigkeiten und Aktivitäten verlassen kann. Ich bin der Meinung, der Landwirt darf sich nicht auf das mitleidvolle Schulterklopfen anderer stützen, er muss seinen Betrieb selbst, gemeinsam mit seiner Familie im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand nehmen und etwas mit ihm oder aus ihm machen. Mut und Hoffnung kann man nicht verordnen, sie wachsen im Innern eines jeden nach kleinen Anfangserfolgen heran.
Hanskarl Freiherr von Thüngen — Diplomlandwirt